Do 15 Sep

12:10

Richter Musikowski, Berlin

Long Short Stories

Entwicklung der Fassade Futurium – Ein langer Weg in kurzen Kapiteln

Die Entwicklung der Fassade ist das Ergebnis eines langjährigen Prozesses. Für die Präsentation im Rahmen der Konferenz „Konstruktiver Ungehorsam“ möchten wir den langen und mühsamen Weg von der Idee bis zur Realisierung mit all seinen Herausforderungen nachzeichnen und schildern. Gliedern werden wir diesen Weg in ca. 4 chronologisch aufeinanderfolgende Kapitel:

1. Die Generierung eines Codes

Erste Ideen zur Fassade entwickelten sich anno 2012 als flüchtige Idee bei der Bearbeitung des Realisierungswettbewerbes. Das Leitbild einer gelandeten Wolke vermischte sich mit der Suche nach einer robusten Hülle – scharfkantig und weich zugleich. Eine Gegenthese zum Berliner Umfeld mit seinen klassisch steinernen Fassaden.

2. Der Weg zum ersten Element

Während der ersten Planungsphasen wurden verschiedene Materialien übereinandergelegt. In vielen Mock-Ups und Modellen, sowie Materialcollagen haben wir uns an das gewünschte Erscheinungsbild angenähert. Letztlich überzeugte die Kombination aus zwei langlebigen Materialien mit industriellem Charakter – Gussglas und Stahl. Der mehrschichtige Aufbau aus gekanteten Edelstahlblechen und lichtstreuendem Gussglas verleiht der Fassadenhaut optische Tiefe und führt je nach Sonneneinstrahlung, Tageszeit und Betrachterstandort zu einem sich stetig wandelnden Fassadenkleid.

3. Prüfung, Vervielfältigung und Montage

Weitere Aspekte wie eine intelligente Fügung ohne sichtbare Klemmleisten und eine keramische Bedruckung wurden mit Herstellern und Verarbeitern untersucht. Bauaufsichtlich wurde ein „Stresstest“ für die Anwendung verordnet. Die fertige Kassette und deren Verklebung wurde UV-Strahlen, Regen, Hitze und Frost ausgesetzt – ein Labortag entspricht der Intensität eines Erdjahres – stündlich werden die Risse endoskopisch gefilmt.

Die Kassetten mit einer Kantenlänge von ca. 70 cm werden im Werk des Metallbauers vorgefertigt und als Einzelmodule vor Ort auf eine durchlaufende Stahlunterkonstruktion montiert. Erstmalig in Deutschland darf eine strukturell verklebte Glasvorhangfassade ohne zusätzliche mechanische Sicherung in dieser Größenordnung realisiert werden.

4. Raute und Netz – Der Weg in die Gegenwart

Seitdem reflektiert die Fassade in den Stadtraum und bildet einen urbanen Hintergrund für Haus und Stadt. Flaneure und Medien nutzen die Fassade für deren Social-Media-Bildwelten.

„another mad idea“

Die Fassade ist am Ende das Ergebnis des bewussten Experimentierens mit zwei Materialien. Neu ist deren Kombination und Fügung. Der Raum für das Experimentieren wurde explizit im Rahmen der Aufgabenstellung und der Aufgabe des Hauses als „Haus für die Zukunft“ eingefordert. Gleichzeitig musste das Experiment mit der Vergabe von Bau und Betrieb an den Generalübernehmer abgeschlossen sein. Es bot sich ein sehr schmaler Grat, auf dem wir das Wagnis eingehen konnten. Stolpersteine, wie die Insolvenz des Glasherstellers, beeinträchtigten uns auf dem Weg in die Realisierung, brachten uns aber nicht davon ab. Rückblickend sind wir dankbar für den geschützten Moment des Träumens – wie wir ihn bei der Bearbeitung von Wettbewerben finden.

Richter Musikowski Foto

Installation, @ Richter Musikowski

Richter Musikowski Drawing

Detail und Ansicht, 1:30

Christoph Richter

Christoph Richter studierte Architektur an der Technischen Universität Dresden sowie an der UPV Valencia (Spanien) und lebt und arbeitet in Berlin und Halle (Saale). 

Jan Musikowski

Jan Musikowski studierte Architektur an der Bauhaus-Universität Weimar und am Virginia Institute of Technology in Washington DC (USA) und lebt und arbeitet in Berlin. Nach einer gemeinsamen Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiter am Lehrstuhl Wohnbauten der TU Dresden erfolgte im Jahr 2012 die Gründung des Büros. Anlass für den Beginn einer Zusammenarbeit war die Entdeckung gemeinsamer Talente bei der Ausformulierung komplexer Anforderungen zu einer spannungsvollen architektonischen Erzählung. Mit ihrer ersten gemeinsamen Arbeit, dem Wettbewerbsentwurf für das Haus der Zukunft in Berlin gewannen sie den 1. Preis. Seitdem gehen aus der fruchtbaren Zusammenarbeit eine Vielzahl an erfolgreichen Wettbewerbsteilnahmen, Preisen und Auszeichnungen hervor.