Do 15 Sep

14:50

ee concept:
Angèle Tersluisen,
David Bewersdorff

Einfach. Nachhaltig.

Die vergangenen Jahrzehnte sind geprägt von der Technisierung unserer Architekturen. Probleme im Betrieb, einhergehend mit erhöhten Realverbräuchen, Einregulierungs-, Instandhaltungs- und Wartungskomplikationen sowie fehlender Nutzerakzeptanz addieren sich mit dem stetig wachsenden Flächen- und Raumbedarf. Es stellt sich die dringliche Frage, wie Nachhaltigkeit aussehen kann, die sparsam und mit geringem technischen Aufwand Ressourcen und das Klima schont und gleichermaßen den Nutzenden und deren Bedürfnissen in robuster Art und Weise dient, ohne den Stand der Technik oder geltende rechtliche Rahmenbedingungen grundlegend zu negieren.

Kann man in Anbetracht der bestehenden Normen und Regelwerke im derzeitigen Planungsprozess noch Gebäude bauen, die einen minimalen Technisierungsgrad wie beispielsweise die reine Fensterlüftung aufweisen? Die nachhaltig und energiesparend sind und die grundlegenden Bedürfnisse der Nutzenden befriedigen? Gebäude, bei denen die Nutzenden und die Architektur im Mittelpunkt des Entwurfsprozesses stehen, nicht die Gebäudetechnik? Können Architektur, Konstruktion und Material den Energiebedarf minimieren, die Nutzenden sich aufgeklärt das Haus zu eigen machen, Verantwortung übernehmen und sein Wohlbefinden selbst steuern?

Durch präzises Studieren der einschlägigen Normen, der ASR sowie die interdisziplinäre, integrale Diskussion und Planung – insbesondere in den frühen Leistungsphasen – entstehen zeitgemäße und zukunftsorientierte Konzepte, die die üblichen Baustandards hinterfragen, mit minimalem Technikaufwand und flexiblen Raumkonzepten Ressourcen real schonen, ohne baurechtliche Wagnisse einzugehen. Die präzise, planungsbegleitende, phasengerechte thermisch-dynamische Simulation, Tageslichtsimulation, Energiebilanzierung, Ökobilanzierung und Lebenszykluskostenbetrachtung ermöglicht die Realisierung von Gebäudekonzepten, deren Architektur im Vordergrund steht und deren Technik minimalisiert dienend in den Hintergrund rückt. Durch eine standortbezogene Konzeptanalyse aller maßgeblichen Planenden in den frühen Leistungsphasen lässt sich der Grundstein für ein nutzerzentriertes Gebäude legen. Eine Beteiligung von und ein Vertrauen auf geschulte Nutzende ist grundlegend notwendig, um die auf physikalischen Grundsätzen statt technischen Zwängen beruhenden Gebäudekonzepte umzusetzen und eigenverantwortliches Behagen zu ermöglichen. Autochthone Architekturen zeigen, dass auch unter extremen Klimabedingungen wie im Iran oder Marokko die passive Klimatisierung möglich ist. Die Transformation der Strategien in zeitgemäße Architektur ist auch heute vor dem normativen Background umsetzbar.

Um einfache, robuste Architekturen zu entwickeln, benötigt man heute kurioser Weise Spezialist:innen, die planerisch die Architektur, Konstruktion und Materialität optimieren und gleichzeitig nachweisen, dass das „weniger“ zum einen gesetzeskonform, und zum anderen - bezogen auf den Lebenszyklus - einfach nachhaltig ist. Der Planungsaufwand für technikarme Architekturen erhöht sich dadurch elementar. 

Die Struktur der HOAI, in der das Honorar an die Baukosten gekoppelt ist, gibt keinerlei Anreize, über ein „weniger“ nachzudenken – im Gegenteil. Hier liegt ein systemischer Fehler vor, Zielkonflikte sind vorprogrammiert. Das „weniger“ bedeutet einen erhöhten Planungsaufwand bei reduziertem Honorar – Suffizienz und Lowtech sind vielmehr Themen für idealistische Planende. Das Koppeln der Honorare an real erzielbare CO2-Einsparungen wäre einen Gedanken wert.

Ee Concept Foto

Visualisierung des Green Economy Gründerzentrums Bremerhaven
(Partner und Partner + GRAU Visuals)

Ee Concept Drawing

Schnitt durch einen der Klimatürme der Kindertagesstätte Pelikanweg Gütersloh
(Niederwöhrmeier und Wiese + ee concept)

Angèle Tersluisen

Im Ruhrgebiet geboren, Bauzeichnerlehre in Essen, Architekturstudium in Darmstadt und Zürich. Promotion an der TU Darmstadt im Themengebiet des solaren Bauens. 2010–2017 Juniorprofessur Hauskybernetik an der TU Kaiserslautern, seit 2017 apl. Professur und Mitglied der ee concept GmbH mit dem Schwerpunkt nachhaltiger Low-tech-Architektur. Seit 2020 Leitung der DGNB Strategiegruppe Suffizienz und Lowtech.

David Bewersdorff

In Dresden geboren, schulische Ausbildung in Baden-Württemberg und Bauingenieur­studium in Darmstadt. Promotion an der TU Darmstadt zum Thema des vernetzten und nutzerzentrierten Wohnungsbaus sowie Forschung im Bereich von Behaglichkeit und Vernetzung in der Industrie. Begleitend dazu ein Auf- und Ausbau der bauphysikalischen Lehre und kontinuierliche Tätigkeit in Planungsbüros im Bereich Bauphysik, Simulation, Energiekonzepte und Nachweistätigkeit.