Do 15 Sep

09:30

Ludwig Wappner, KIT
Monica Tușinean, KIT
Peter Hoffmann, KIT

ttt – tiny timber tourism house

„Kleines Haus, ungeahnte Hindernisse, große Wirkung“ 

Für den Karlsruher Campingplatz in Karlsruhe-Durlach wurde im Rahmen eines Stegreif-Entwurfs sowie mehrerer angegliederter Baureif- Seminare auf einer Grundfläche von ca. 25m² ein Tiny-House entwickelt und gebaut. Der Rohbau wurde gemeinsam mit Zimmerei-MeisterschülerInnen der Friedrich-Weinbrenner-Gewerbeschule Freiburg als sortenrein konstruiertes Design-Build-Projekt 1:1 realisiert. In weiteren Workshops sind die Schindelfassade und der Innenausbau des Hauses geplant und mit Studierenden gemeinsam realisiert worden. Das Tiny House soll nutzbar und nützlich sein: Karlsruhe Besuchern sowie wohnungssuchenden Studierenden des KIT soll das Haus nach Fertigstellung zur Verfügung stehen.

Das Entwurfskonzept des siegreichen studentischen Teams basiert auf der Abstraktion des Urhüttenmotivs (Vitruvius 1960, 38), welches in eine zeitgemäße und funktionale Tiny-House-Typologie übersetzt wird. Das archetypische Dach wirkt überspitzt, und gewinnt an Schärfe mit einem sensibel positioniertem Schnitt: über das mittlere Feld des kompakt gegliederten Gebäudes zieht sich ein nach Süden orientiertes Oberlicht, wie ein Lichtband das die innere Gliederung des kleinen Körpers verbindet und festigt. 

Als besonderen Anspruch an das nachhaltige Bauen wurde der Entwurf weitestgehend in sortenreiner Bauweise realisiert, die Knotenpunkte des hölzernen Tragwerks wurden in Zusammenarbeit mit der Professur Tragkonstruktionen am KIT als Prototyp entwickelt, sodass diese mit weitaus weniger Metallverbindungen auskommen als herkömmliche Verbindungen. Diese intensive und vernetzte Zusammenarbeit zwischen Studierenden, Planenden und HandwerkerInnen, schuf im Bauprozess eine fruchtbare und freundschaftliche Zusammenarbeit, um die anspruchsvollen konstruktiven Konflikte die der sortenreine Bau aufwarf, architektonisch und handwerklich intelligent zu lösen und umzusetzen. 

Es ging hierbei nicht um Lösungen die im normativen Gerüst der Richtlinien „richtig“ sind, sondern um solche, die aus dem unpräzisen Innersten des Entwurfes heraus die richtigen Antworten geben. Dass diese in der baurechtlichen Parlance „Sonderlösungen“ und „Zulassungen im Sonderfall“, also die wortwörtlichen Ausnahmen und Abweichungen von der Norm darstellen, erschließt auch den Kern dieser Arbeit - dass das experimentell konstruktive Arbeiten nur in enger Kollaboration mit vielen Akteuren und in der Risikobereitschaft Früchte trägt.

Das Tiny House reicht auch als epistemisches Objekt (Ewenstein und Whyte 2009, 10) über seinen ursprünglichen Spielraum als Design Build Projekt hinaus. Die Grenzen zwischen den klar definierten Rollen der Studierenden, Lehrenden, Entwerfenden und bauenden Akteuren überlagerten sich im Prozess (Käferstein 2020) und erlaubten so den Wissensgewinn in einem Spektrum, das in der konventionellen architektonischen Praxis oder in der Lehre nicht oft vorzufinden ist. Das Haus in all seinen Details stellt einen Wissensträger dar, der eine Brücke schafft über die bereits von Alberti bestimmte binäre Zäsur zwischen arte und mestiere (Alberti 1991, 3). Im Entwurfs- wie auch im Bauprozess wurden diese, unserer Profession inne liegenden, Oppositionen (Soussloff 1997, 67) sondiert und konstruktiv gelöst. 

Ein weiter entfernter Beobachter könnte dem Trugschluss erliegen, dass das klare Konzept, der kleine Massstab und die Eindeutigkeit der Mittel den Bauprozess ebenso klar und eindeutig haben verlaufen lassen. Doch die vielen gegenläufigen Handlungen die im Tiny House zusammentreffen, entpuppten sich sowohl als konfliktuell wie auch als komplementär. Der Wissensgewinn liegt eben in diesem Austarieren der entwurflichen und baukonstruktiven Spannungen, deren harmonische Lösung den verkörperlichten Entwurf schlussendlich als schöne Architektur lesbar macht. Das ansprechende Ergebnis ist am Ende meist nur stummer Zeuge eines hoch komplexen und lehrreichen Werdegangs. 

Literatur

Vitruvius. 1960. The Ten Books on Architecture (30 BC, translated 1914), Dover Publications.

Ewenstein, Boris, and Jennifer Whyte. 2009. “Knowledge Practices in Design: The Role of Visual Representations as ‘Epistemic Objects’” 30 (Organization Studies).

Käferstein, Johannes, ed. 2020. Wege Zum Raum: Konstruktive Denkweisen in Der Architekturausbildung. Quart Verlag.

Alberti, Leon Battista. 1991. On the Art of Building in Ten Books 1443. MIT Press.

Soussloff, Catherine M. 1997. The Absolute Artist. University of Minnesota Press.

Programm Single Portrait

Ansicht Ost

ttt Schnitt

Querschnitt

Professor Ludwig Wappner, Dipl. Ing. Architekt und Stadtplaner, Professur Baukonstruktion an der Fakultät Architektur am KIT

Ludwig Wappner lehrt und forscht seit 2010 als ordentlicher Professor für Entwerfen und Baukonstruktion am Karlsruher Institut für Technologie KIT. 1993 gründete er zusammen mit Markus Allmann und Amandus Sattler das Architekturbüro Allmann Sattler Wappner Architekten in München, welches seit 2022 unter allmannwappner als Generalist national und international in der Stadtplanung, dem Hochbau und der Innenarchitektur sich auf vielen Feldern den wichtigen Fragen und Herausforderungen der Gesellschaft stellt und hier zukunftsorientiert tätig ist. Er ist aktuell Vorsitzender der Gestaltungsbeiräte von Mannheim und Pforzheim. Darüber hinaus ist er BDA Mitglied, sowie Vorsitzender der Schellingstiftung in Karlsruhe. Als Preisrichter von Wettbewerben und Gutachten baut er auf eine langjährige Erfahrung. Vorträge, Publikationen sowie Gastkritiken und Workshops sind wesentlicher Teil seines Wirkens in Praxis, Lehre und Forschung. 

Dipl. Ing. Architektin Monica Tușinean

Monica Tușinean studierte Architektur an der Universität Ion Mincu Bukarest und der Universität Stuttgart. Seit ihrem Abschluss an der Universtiät Stuttgart in 2012 arbeitete sie als Architektin in Wettbewerbs- und Projektleitung bei Lederer Ragnarsdóttir Oei Architekten und Schleicher Ragaller Architekten. Sie war Lehrbeauftragte und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Stuttgart und arbeitet derzeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Karlsruher Institut für Technologie, Professur Entwerfen und Baukonstruktion. Seit 2019 promoviert sie im „Programm Entwurfsbasierte Promotion“ an der TU Berlin mit dem Fokus auf nicht invasive Transformationen von Bestands- und Industriearchitektur.

Dipl. Ing. Architekt Peter Hoffmann

Peter Hoffmann studierte Architektur am Karlsruher Institut für Technologie, KIT. Nach dem Diplom bei Prof. Renzo Vallebuona 2013/14 arbeitete er bei Prof. Peter Krebs, Büro für Architektur in Karlsruhe zunächst als Architekt im Praktikum und bis Juli 2018 als verantwortlicher Architekt und Projektleiter in allen Leistungsphasen bei Kirchenbauten, Gemeindezentren und Wettbewerben. Von Oktober 2015 bis März 2017 war er Stundenassistent und seit April 2017 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur Entwerfen und Baukonstruktion am KIT. Neben der Lehrtätigkeit am KIT arbeitet Peter Hoffmann auch als selbstständiger Architekt unter Büronamen Schneider Hoffmann Architekten in Karlsruhe.