Do 15 Sep

09:50

BLAF architecten, Lokeren

jtB house

Die Wandkonstruktion der zweischaligen Außenwand mit Vormauerziegel ist seit den 1950er Jahren die vorrangige Bauweise sowohl in Flandern (BE) als auch in vielen anderen Regionen Europas. Da der Hohlraum nicht sichtbar ist – er offenbart sich nur durch Zeichnungen oder Simulationen –, bot sich dieser zur Anpassung der Konstruktion an neue Standards an, beispielsweise an die erfolgreiche Integration der Wärmedämmung während der Ölkrise in den 1970er Jahren. Als Folge dessen hat dieser Umgang zur Hybridisierung der Konstruktion und zur (poetischen) Abspaltung der Struktur wie auch zu einem veränderten Ausdruck der Architektur beigetragen. Als Folge verkörpert heute die verklinkerte Hohlwand im Ziegelbau die Kontinuität eines einheitlichen Bildes unserer gebauten Umwelt.

Heute, nach zwei Jahrzehnten progressiver Energieeinsparrichtlinien seit der Einführung der europäischen EPBD (Energy Performance of Buildings Directive) und dem Aufkommen der Kreislaufwirtschaft als Entwurfsanforderung, hat die gedämmte, hinterlüftete Hohlmauer mit Vormauerziegeln ihr Maximum an Leistung und Praktikabilität erreicht. Eine Vormauerschale über Hohlräume von bis zu 30 cm zu verankern, ist übermäßig komplex, kostenintensiv, fehleranfällig und wirkt sich nachteilig auf die Lebensdauer des Mauerwerks aus. Da der Vormauerziegel somit als Fassadenmaterial an Bedeutung verliert, stellt sich die Frage nach dem Hohlraum: Das Bild der Architektur wandelt sich und der Entwurf einer Fassade verlagert sich auf die technische Konstruktion der Gebäudehülle.

BLAF architecten lehnen den Wandel zu Blendziegeln als Verkleidung (Riemchen) und Materialeinsparungen, wie sie von der Ziegelindustrie als Antwort auf diese Herausforderung propagiert werden, ab. Ziegelsteine haben wenige Schattenseiten: geringer Wartungsaufwand, geringe Ressourcenbelastung, lokale Produktion, geringer Wasserverbrauch und allen voran eine lange Lebensdauer, die für den Energieverbrauch und CO2-Emissionen in der Herstellung kompensieren. Wenn die Anwendung sich an diesen Vorteilen orientiert, kann der Ziegel auch in Zukunft als Baumaterial für neue Gebäude relevant bleiben. Ein Potenzial, das durch die adaptive Wiederverwendung von Ziegelgebäuden mit tragenden Schalen aus Vorhohlraumwänden überzeugend dargestellt wird, wobei die langfristige Haltbarkeit der Ziegelkonstruktion vor der Wiederverwendung des einzelnen Ziegels steht – eine Strategie, die sich im Konzept der „intelligenten Ruine“ (Bob Van Reeth) widerspiegelt. 

Mit der Entwicklung des „Big Brick“ untersucht BLAF praktisch das Potential von neuen selbsttragenden Mauerschalen als Strategie zur Kombination von zirkulären Konstruktionen mit der Forderung nach gestalterischer Verantwortung für das langfristige Image der Fassade zu verbinden. Im Gegensatz zu tragenden Schalen und Vormauerschalen reduziert die selbsttragende Vormauerschale die Komplexität der Konstruktion und (nachträglichen) Wärmedämmung. Sie fördert die Optimierung der Konstruktionsreihenfolge, die Rückbaubarkeit der verschiedenen Konstruktionsschichten, die Verwendung von unüblichen erneuerbaren Wärmedämmmaterialien und die Verwendung einer tragenden Holzkonstruktion.

Seit 2016 sind zwei Chargen des Big Brick in einer Serie verschiedener Beispielprojekte verbaut worden, wobei das jtB-House das aktuelle in dieser Serie darstellt. Die 22 cm dicke, selbsttragende Big Brick-Schale und die strukturell freistehende Holzrahmenausfachung, die mit innenliegenden Magnesiumbauplatten fertiggestellt wurde, lassen einen Gesamthohlraum von 34 cm übrig, der vollständig mit einer trockenen Kalk-Hanf-Dämmung gefüllt wird. Als Resultat entsteht eine diffusionsoffene Hybridkonstruktion ohne Struktur- oder Wärmebrücken, ohne komplexe Knotenpunkte, keine Folien, keine Schadstoffe und ohne einen hinterlüfteten Zwischenraum. Die hygroskopische Eigenschaft der biobasierten Kalkhanfdämmung ist dabei entscheidend: Sie verhindert das Verrotten der Holzkonstruktion und wirkt der Kondensatbildung auf der Rückseite des Mauerwerks entgegen.

[übersetzter Text]

Blaf Foto

© BLAF architecten

Blaf Drawing

© BLAF architecten

Lieven Nijs

Lieven Nijs (Gent, 1976) machte 1999 seinen Abschluss als Architekt an der Sint Lucas Architecture School in Gent, Belgien. 2003 gründete er mit dem Architekten Bart Vanden Driessche (Lokeren, 1973) das Büro BLAF architecten. Nijs ist seit 2008 als Lehrassistent für Architekturdesign und Designtheorie an der Fakultät für Architektur und Stadtplanung der Universität Gent tätig. Derzeit ist er stellvertretender Vorsitzender der Kwaliteitskamer Gent, des Qualitätsbeirats der Genter Stadtarchitekten.